Interview

„Ich bin keine Quotenfrau“

08.03.2021

Daniela Theisinger, Managing Director bei Deutsche Telekom Global Business Solutions BeLux, im Interview mit AHK debelux (April 2020).

Vertraut, fast freundschaftlich fühlt sich die Begegnung mit Daniela Theisinger an. Sie ist Geschäftsführerin von T-Systems für die Standorte Belgien und Luxemburg, deren Fokus auf den Europäischen Institutionen sowie internationalen Unternehmen mit Sitz in Belgien oder Luxemburg liegt. In der T-Systems Belgien ist auch das so genannte Tolling Competence Center (TCC) angesiedelt, das Mautlösungen im europäischen Markt entwickelt. Mit debelux magazin/e spricht sie über ihren Weg an die Spitze und die Förderung für mehr weibliche Führungskräfte.

von Uta Neumann, erschienen im debelux magazine, 24.4.2020

Der Empfang in dem eher anonym wirkenden Bürogebäudekomplex in Diegem bei Brüssel ist herzlich. Darauf legt die 48-jährige Geschäftsführerin aus Deutschland Wert. Nicht nur der Kunde, alle sollen sich hier direkt wohl fühlen. „Ich bin der Kümmerer, ein bisschen die Mutter der Nation“, lacht die Pfälzerin. „Das hat eine positive, aber auch eine negative Seite. Positiv, weil sich die Leute vielleicht aufgehoben fühlen; negativ, weil die anderen manchmal die Hände in den Schoß legen und annehmen, dass sich die Chefin sowieso kümmert“, so Daniela Theisinger. „Ich glaube eine Frau hat mehr von diesem Einfühlungsvermögen. Das ist vielleicht typisch weiblich. Ich sehe meistens der Person an, wenn es ihr schlecht geht. Ich habe immer ein offenes Ohr, aber ich sage auch, wenn mir etwas nicht passt und dann kann es auch mal laut werden“, erklärt die elegant in schwarz gekleidete MD (Managing Director).

Empathie und sicheres Auftreten

Ihr Kleidungsstil steht symbolisch für ihren Führungsstil. „Als Frau an der Spitze eines Unternehmens muss man ‚seinen Mann stehen‘ und kämpfen können, um sich in diesem, von Männern dominierten Umfeld zu behaupten.“ Gleichzeitig sei Empathie wichtig, um Menschen mitzunehmen, erzählt sie. „Das Anwalt sein hat mir sehr geholfen, diese Stärke zu haben, strategisch, abgeklärt zu denken und zu handeln.“ Sie achte sehr darauf, wie sie gekleidet sei. Weiblich oder nicht? „Als ich 2014 Geschäftsführerin wurde, musste ich zum ersten Mal eine Rede vor allen Mitarbeitern halten. Ich habe mir schon ein paar Gedanken gemacht, wie etwa eingefleischte Techniker reagieren, wenn da plötzlich eine junge Frau, eine Juristin noch dazu, vor ihnen steht. Ich habe damals bewusst ein Kleid und einen Blazer angezogen, um damit Business und Frau zu betonen.“

Daniela Theisinger fügt an: „Im Urlaub habe ich gerade ein Buch über die französische Schriftstellerin George Sand (1804-1876, Red.) gelesen. Um damals in der Männerwelt zu bestehen, trug sie Männerkleider, was natürlich verpönt war. Ohne diese hätte sie aber niemals in die Brasserien in Paris gedurft. Daran sieht man schon, wie viele Gedanken man sich als Frau machen musste. Als sie später als Autorin berühmt wurde, ging sie im Kleid aufs Fest, um darauf aufmerksam zu machen, dass hier eine Frau dahintersteckt. Ich dachte, unglaublich eigentlich, dass man sich als Frau heute auch noch ähnliche Gedanken machen muss.“

Als Juristin an der Spitze

Nach ihrem zweiten Staatsexamen sowie einem Masterstudium in Europäischem Recht war Daniela Theisinger zehn Jahre in einer internationalen Anwaltskanzlei in Brüssel tätig, wurde dort Partnerin und später General Counsel bei T-Systems Belgien, wo sie die Rechtsabteilung aufgebaut und als federführende Juristin für Informations- und Kommunikationstechnik, Verträge mit den Europäischen Institutionen sowie mit internationalen Unternehmen in Belgien verhandelte bzw. juristisch begleitete. 2014 übernahm sie die Führung von T-Systems Belgien. Das war ungewöhnlich für eine Juristin. Aber sie sollte das Geschäft am Standort Brüssel absichern und wieder profitabel machen. Heute trägt sie Verantwortung für 55 Mitarbeiter und rund 17 Millionen Umsatz (2019) der zwei Tochterunternehmen von T-Systems International, einem Unternehmen der Deutschen Telekom AG.

Hier ist sie eine anerkannte Chefin und bekannt für ihre Transparenz. Der Juristin Theisinger ist „ihre Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit, die hin und wieder zur Direktheit führt“, besonders wichtig. Sie verberge nichts, auf die Gefahr hin, dass sie beruflich schon mal anecke. „Doch die Leute wissen auch, dass sie auf mich vertrauen können.“ Probleme sollen nicht verschleppt, schnell gelöst werden. „Einmal im Jahr gebe ich meinen Mitarbeitern deshalb die Möglichkeit, mit mir direkt über ihre Anliegen zu sprechen - ohne Agenda, also ohne dass ich sie auf ein Problem anspreche. Ich möchte einfach einen Austausch. Die Mitarbeiter können diesen wahrnehmen oder nicht.“ Letztes Jahr hat ein Mitarbeiter daraufhin einen sehr inspirierenden Vorschlag gemacht: die Einführung einer flacheren Kommunikation mit den Mitarbeitern, bei der die MD nicht nur mit den Führungskräften spricht, die diese Information in ihren Teams weitergeben, sondern direkt zu allen Mitarbeitern. Jeden Montag findet seither ein „TOC Talk“ (Transparent Open Communication) mit dem gesamten Team statt. „Ich gebe das, was ich darf und weiß, allen weiter. Dadurch fühlt sich die Mannschaft hier in Belgien immer gut abgeholt und informiert.“

Geschlechterparität bringt wirtschaftliche Vorteile

„Ich bin mit Sicherheit keine Quotenfrau. In der T-Systems-Welt war ich, glaube ich, damals die erste Frau, die eine Auslandsgesellschaft übernommen hat“, betont die Geschäftsführerin. „Das hat schon zu Verwunderung geführt. Noch dazu war ich relativ jung. Viele haben wohl darauf gewartet, dass ich scheitere.“ Mittlerweile seien es mehr weibliche Führungskräfte. So haben T-Systems Südafrika und Brasilien ebenfalls Frauen an der Spitze. Die Geschäftsführerin von T-Systems Belgien & Luxemburg findet, dass Geschlechterparität in Unternehmen gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile hat. „Frauen denken anders als Männer. Wenn wir beides richtig nutzen, führt das zu etwas. Ich will mein Unternehmen nicht als ‚Frauenunternehmen‘ ausrichten, denn ich glaube, gemischte Teams sind erfolgreicher. Man ist wirtschaftlich am schlagkräftigsten, weil man so am besten auf die Gesellschaft, wie sie heute ist, reagieren kann.“ Ihre Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Frauen und Männern formuliert Theisinger diplomatisch: „Eine Frau wird wohl weniger von ihrem Ego geleitet, sondern beschreitet vielmehr mit dem Team den gemeinsamen Weg, um die gesetzten Ziele zu erreichen, auch wenn das Ergebnis vielleicht am Ende das gleiche ist.“

Mentorin für den weiblichen Nachwuchs

In der Realität hat die Geschlechterparität in den meisten Führungsetagen noch nicht Einzug gehalten. Theisinger sieht hierfür mehrere Gründe: „Zum einen werden sie immer noch von Männern blockiert und auf der anderen Seite gibt es immer noch viele Frauen, die sich zu wenig zutrauen und nichts fordern.“ Außerdem sei es häufig noch so, dass Frauen mehr Qualifikationen - seien es Diplome, Sprachen oder Arbeitserfahrung - vorweisen müssten als Männer, um in höhere Positionen aufzusteigen. Deshalb fördert die MD bewusst auch junge Frauen im Unternehmen, darunter beispielsweise eine 32 sowie eine 21-Jährige, die es vielleicht einmal in die Führungsetage schaffen könnten. „Ich verspreche mir viel von Chutney und Jessica, stelle mich jederzeit schützend vor sie, sorge für ihre Weiterentwicklung, ihre Karriere.“ Mit Natürlichkeit werden sich diese jungen Frauen bei Auswahlprozessen auf ganz normale Weise gegen männliche Mitbewerber durchsetzen. „Ich werde auch nicht zögern, wenn es die entsprechenden Positionen gibt - nicht heute, dafür ist vor allem Jessica noch zu jung - sie dort zu empfehlen. Frauen in bestimmten Positionen müssen einfach mehr zusehen, dass sie eine Frau in petto haben, um sie dann auch .“, Theisinger unterbricht sich und greift einen neuen Gedanken auf: „Vielleicht sollte ich auch selber daran arbeiten, dass mein Nachfolger hier eine Frau wird. Die Geschlechterparität wird niemals kommen, wenn wir sie nicht vorantreiben.“ Ein schlagkräftiges Netzwerk ohne feministischen Hintergrund sei dabei hilfreicher als Quoten. Ein Netzwerk aus Frauen, die bereits Führungsfunktion innehaben und dadurch die entsprechende Erfahrung mitbringen.